Unwissenheit ist teuer
Die meisten Menschen in Deutschland schätzen bis heute Aktieninvestments als zu gefährlich und spekulativ ein. Manche von ihnen haben sich in der Vergangenheit das eine oder andere Mal die Fingerchen verbrannt, die anderen haben diese Einstellung vom Hörensagen übernommen.
Ja! Die Börse kann ein Casino sein, wenn man zu kurzfristig und aus den falschen Gründen investiert. Wenn man denkt, dass man an der Börse in kürzester Zeit viel Geld verdienen wird, dann kann es vielleicht ausnahmsweise mal gut gehen. Im Allgemeinen geht man aber leer aus und verteufelt jede weitere Aktieninvestition.
Destruktive Einstellung, falsche Motivationsgründe oder fehlendes Wissen. Die Gründe für das Scheitern an der Börse sind vielfältig. Daher sollte man sich zunächst trocken (ohne Geld) mit dem Thema auseinandersetzen und dann mit kleineren Summen ein paar Aufs und Abs durchmachen.
Ohne Wissen und ohne Erfahrung können in kurzer Zeit ganze Vermögen vernichtet werden. Damit Dir das nicht passiert, habe ich in diesem Artikel die meiner Meinung nach 10 teuersten Sprüche an der Börse zusammengetragen. Vielleicht findet sich der ein oder andere darin wieder oder hat so einen Spruch schon mal von einem „Experten“ gehört.
1 Gewinnmitnahmen haben noch niemanden arm gemacht.
Richtig, aber so richtig reich haben sie auch niemanden gemacht. Es kommt natürlich darauf an. Früher habe ich diese „Weisheit“ ab und zu mal angewandt und war von meiner Performance relativ schnell enttäuscht.
Wenn ich eine Aktie nach 15% oder 20% Plus verkaufe, dann bleiben nach Gebühren und Steuern vielleicht noch 10% bis 15% übrig. Auf den ersten Blick kann ich froh sein, denn ich habe Geld verdient.
Aber meistens ist die Aktie danach noch viel mehr gestiegen und ich habe mich nur geärgert, dass ich schon ausgestiegen bin. So entgehen einem noch viel mehr Gewinne und daher ist dieser Spruch recht teuer.
2 Ich verkaufe, wenn die Aktie wieder im Plus ist.
Dieser Spruch hängt stark mit dem ersten zusammen. Denn er verleitet dazu, Aktien zu verkaufen, die im Plus sind und Aktien zu behalten, die im Minus sind.
Was dann passiert ist genau das Gegenteil von dem, was man an der Börse tun sollte: Gewinne werden begrenzt und Verluste lässt man weiterlaufen, in der Hoffnung, die Aktien kommen wieder ins Plus.
Und sobald sie nur leicht im grünen Bereich sind, verkauft man sie schnell, da man im Tal der Tränen schon zu viele Nerven damit verloren hat.
So baut man sich über die Zeit ein saftiges Portfolio mit lauter Nieten auf. Auf diese Weise kann man an der Börse kein Geld verdienen. Wenn man genau das Gegenteil macht – also Gewinne weiter laufen lässt und Verluste begrenzt – baut man ein Portfolio mit guten Unternehmen auf, die ein langfristig funktionierendes Geschäftsmodel haben.
3 Ein Kollege hat mir empfohlen…
Es muss nicht unbedingt ein Kollege sein. Die Tipps kommen von überall: Börsenbriefe, E-Mails (von einem Newsletter, den man nie abonniert hat), ein alter Freund, der Taxi-Fahrer oder die BILD-Zeitung.
Irgendwie hat man immer das Gefühl, es wäre eine Insiderinformation oder jemand hat die Bilanz des Unternehmens analysiert und verborgene, noch nicht gehobene Schätze gefunden. Aber glaubt mir: Die Tippverteiler sind nicht besser informiert als alle anderen Marktteilnehmer, solange sie nicht die Geschäftsführer des empfohlenen Unternehmens sind. Und WENN sie es sind und man bekommt die Information von ihnen, dann ist der Aktienhandel mit diesem Wissen illegal.
Kaufe nie eine Aktie, weil sie jemand empfohlen hat. Auf „heiße Tipps“ bin auch ich am Anfang reingefallen. Zum Glück waren die Einsätze dabei sehr gering. Aber im Casino hätte ich damit sicher mehr Spaß gehabt.
Ich persönlich empfehle niemandem bestimmte Aktien zu kaufen. Manchmal rede ich über Unternehmen und werde in diesem Blog einige Unternehmen vorstellen. Jedoch würde ich mich davor hüten, jemandem den Kauf oder Verkauf von irgendwelchen Aktien zu empfehlen.
Es ist schwer genug sein eigenes Geld zu hüten und zu verwalten. Noch schwerer ist es bei fremden Vermögen. Deswegen würde aus mir sicher kein guter Vermögensverwalter werden.
Viele Worte, kurzer Sinn: Kaufe nie auf Empfehlung eines anderen! Das kann sehr teuer werden.
4 Die Aktie kostet nur 5€, die sind günstig.
An der Börse darf man nicht in absoluten Zahlen denken. „Alles ist relativ“ würde Albert Einstein sagen. Es kommt immer darauf an: Wie viel verdient das Unternehmen? (Natürlich spielen auch andere Faktor eine Rolle, aber hier geht es zunächst nur um den Vergleich günstig/teuer).
Wenn das Unternehmen 20 Cent pro Aktie verdient, dann erwirtschaftet es 4% (0,20€*100/5€) auf mein Eigenkapital. Wenn ein ähnliches Unternehmen, bei dem eine Aktie 500€ kostet, 40€ pro Aktie verdient, dann bekomme ich schon 8% auf mein Geld. In dem Fall ist die Aktie für 500€ günstiger als die für 5€.
Viele Anfänger an der Börse versuchen sich an Pennystocks, weil diese scheinbar günstig sind. Für das gleiche Geld bekommt man „mehr Anteile“ vom Unternehmen. In absoluten Zahlen zu denken kann an der Börse teuer werden.
5 Ich warte auf den Crash und dann steig ich ein.
Warum soll das einer der 10 teuersten Sprüche an der Börse sein? Wenn man auf den Crash wartet, ist man ja nicht investiert und kann auch kein Geld verlieren. Nun, das sehe ich ein wenig anders.
Du erinnerst dich: es geht immer um relative Zahlen? Wenn man den absoluten Geldbetrag betrachtet, der auf dem Girokonto mehrere Jahre liegt, dann ist dieser Betrag gleich. Das stimmt.
Aber beim investieren muss man die sogenannten Opportunitätskosten betrachten. Das heißt, während das Geld auf dem Girokonto auf seinen Einsatz wartet, könnte es die ganze Zeit schon für dich arbeiten. Das tut es aber nicht, es vermehrt sich nicht. Und der Zeitwert des Geldes wertet es zusätzlich ab.
Hinzu kommt die Tatsache, dass es keinen Spaß macht, an der Seitenlinie zu warten und zuzuschauen wie alle anderen immer reicher werden.
Wenn der Crash nach 1-2 Jahren kommt, dann hast du gewonnen. Yeah, günstig einsteigen. Aber wenn der Crash 10 Jahre auf sich warten lässt, dann hast du 10 Jahre Börsenboom verpasst, während dein Geld von der Inflation verprügelt wurde.
Am höchsten Punkt zu kaufen, kann das Vermögen locker halbieren. Aber eine Kursverdopplung zu verpassen kostet doppelt so viel Geld. Daher empfiehlt es sich über einen langen Zeitraum verteilt regelmäßig zu investieren und auch immer eine Cash Reserve für besonders günstige Gelegenheiten parat zu halten.
6 Hätte ich doch damals gekauft.
Konjunktive sind an der Börse ganz gefährlich. Denn sie haben nichts mit der Realität und Tatsachen zu tun. Dinge sind entweder passiert oder sie sind es nicht. Es gibt keine alternativen Eventualitäten. Zumindest nicht in unserer Dimension.
Der Gedanke an eine alternative Handlung zu einem früheren Zeitpunkt lässt einen sich nur ärgern und sich zu irrationalen Entscheidungen verleiten. Das kann teuer werden.
„Ach hätte ich doch…“ ist daher einer der 10 teuersten Sprüche an der Börse.
7 Das ist die neue Apple.
Apple gibt es schon. Und es wird keine neue Apple geben, zumindest nicht mit dem gleichen Geschäftsmodell. Es sei denn ein neues Unternehmen entwickelt sich mit einer neuen Geschäftsidee, die alte Geschäftsmodelle disruptiert.
Gemeint ist mit dem Spruch aber meist nicht, dass man ein Unternehmen gefunden hat, welches im Markt ähnlich positioniert ist, sondern eher ein stark wachsendes Unternehmen, dass in Zukunft die gleichen Renditen bringt wie Apple in der Vergangenheit.
Doch das ist ein Trugschluss!
Entweder die Wachstumsaussichten des Unternehmens sind glasklar positiv. Dann bezahlt man aber einen sehr hohen Preis für die Aktie, da alle Marktteilnehmer sich über die hohen Renditeerwartungen einig sind.
Oder das Unternehmen ist jetzt günstig zu haben und absolut unterbewertet. Dann ist es aber so, dass man als einer der wenigen Marktteilnehmer an die Überrendite des Unternehmens glaubt. In diesem Fall ist der Glaube die „neue Apple“ gefunden zu haben reine Spekulation.
Denn warum sollte man als Privatinvestor/Kleinanleger besser informiert sein als institutionelle Anleger, Risikokapitalgeber oder Leute aus dem direkten Umfeld des Unternehmens?
Übrigens: Als 2003 die Firma Amazon an der Börse gerade einmal $2,3Mrd. Wert war, hat sie bereits über 2 Jahre 95% ihres Wertes beim Platzen der Dotcom Blase verloren. Hunderte Internetfirmen gingen damals Pleite. Hätten wir damals wirklich die Eier gehabt in so ein Unternehmen dieser Branche zu investieren? Also ich bestimmt nicht.
Seitdem hat sich der Wert des Unternehmens um den Faktor 290 gesteigert! Und aus heutiger Sicht war diese Steigerung natürlich unvermeidlich. Doch damals war die Firma bereits totgesagt. Schmerzhafte Erfahrungen hat auch Jens Rabe gemacht, der auf seinem Youtube-Kanal sehr ausführlich darüber berichtet hat.
Daher mein Ratschlag: Suche nicht nach der neuen Apple. Begnüge dich damit, wenn du ein GUTES Unternehmen gefunden hast, mit dem du dich wohl fühlst. Das einzige, was du dann machen kannst, ist zu investieren und zu hoffen, dass es sich weiterhin gut entwickelt. Und mit ein wenig Glück kannst du in 20 Jahren sagen: Jawohl, damals habe ich alles richtig gemacht.
8 Das kann ja nur steigen.
Alles was ein Preisschild hat kann sowohl steigen als auch fallen. Doch wenn eine Anlageklasse über Jahre hinweg steigt und steigt und steigt, entsteht in uns das Gefühl von Sicherheit und Kontinuität. Es wird irgendwann zum Naturgesetzt, dass der Wert immer weiter steigt.
Wenn man am Anfang beim Preisanstieg noch skeptisch war, dann ist es um so ärgerlicher und irgendwann verfällt man der FOMO (fear of missing out, deutsch: die Angst, etwas zu verpassen).
Das birgt die Gefahr genau dann einzusteigen, wenn die größten Kursanstiege bereits geschehen sind und kurz danach machen die Investoren der ersten Stunde schön fett Kasse.
Typischerweise fasst man den Entschluss, doch noch einzusteigen immer dann, wenn der Aufwärtstrend schön an Dynamik gewinnt, was allerdings eher auf die euphorische Endphase der Rallye deutet.
In dieser Phase geben in der Regel die meisten „Experten“ schlüssige Erklärungen für die vergangenen Zugewinne und gleichzeitig auch zahlreiche Rechtfertigungen, warum das noch lange weiterhin so laufen wird.
Wenn das passiert, sollten alle Alarmglocken läuten. Der Einstieg ist dann der sicherste Weg, sein Vermögen jemand anderem zu schenken.
9 Durch einen Kredit kann ich meinen Gewinn hebeln.
Sobald man merkt, dass man sich an der Börse zum Beispiel durch Dividenden einen regelmäßigen Einkommensstrom aufbauen kann und zusieht wie dieses Nebeneinkommen stetig wächst, kommt man eventuell auf den Gedanken die ganze Sache etwas zu beschleunigen.
Am einfachsten geht das durch fremdes Geld. An sich ist das eine legitime Sache, denn auch Firmen arbeiten nicht nur mit eigenem Geld, sondern leihen sich auch Fremdkapital. So kann man seine Eigenkapitalrendite schön nach oben schrauben.
Für Privatanleger ist das aber hochgradig gefährlich, da sie uneingeschränkt mit ihrem privaten Vermögen haften. Es besteht die Gefahr, dass man sich übernimmt. Gerade für Anfänger ist diese Methode absolut ungeeignet.
Denn der Hebel wirkt in beide Richtungen. Ein Beispiel: Wenn ich 10.000€ investiere, wobei ich nur 2.000€ eigenes Geld mitbringe, und die Aktie steigt um 20% im Wert, dann habe ich mein eigenes Geld verdoppelt. Ich kann den Kredit (zuzüglich Zinsen) zurückgeben und habe ca. 2.000€ mit dem Geschäft verdient.
Sollte die Aktie jedoch 20% fallen und der Kredit ist fällig, dann habe ich keine andere Wahl als mit Verlust zu verkaufen. Den Kredit gebe ich zurück und habe noch genau 0€ übrig. Wahrscheinlich sogar weniger, wenn ich die Zinsen bezahle. Und 20% Verlust ist noch nicht einmal eine seltene Kursbewegung nach unten. Das passiert sogar bei den größten Unternehmen.
Auch ich habe während des Studiums einen Teil vom BAföG und den Bildungskredit der KfW (unschlagbarer Zinssatz) an der Börse angelegt. Rückblickend betrachtet hatte ich Glück, dass die Märkte in der Zeit sehr wohlwollend gesinnt waren. Zurzeit bin ich dabei, diese Schulden so schnell wie möglich zurückzuzahlen, bevor ich weiter in Aktien investiere.
Dieses Experiment hätte schnell mal ins Auge gehen können. Und wenn am Markt wieder günstigere Preise herrschen, wäre ich gelähmt. Denn ich wäre dann ja schon mehr als voll investiert.
10 Dieses Mal ist alles anders
Das ist vielleicht sogar einer der teuersten Sprüche an der Börse. Jedes Mal, wenn sich die Weltwirtschaft in einer schlechten Verfassung oder in einer Übertreibungsphase befindet, die sich schonmal so oder so ähnlich in der Vergangenheit abgespielt hat, finden Analysten und Experten immer ein Detail, welches sich zu der damaligen Krise komplett unterscheidet.
So rechtfertigen sie, dass die Situation zu damals nicht vergleichbar sei und dass wir dieses Mal rosige Zeiten vor uns haben.
Anstatt auf solche Experten zu hören, versuche ich so viel wie möglich über vergangene Wirtschaftskrisen* zu lernen und mich in jemanden aus der damaligen Zeit zu versetzen.
Früher habe ich immer gedacht: „Wie konnten die Menschen das nicht kommen sehen? Das war doch ganz klar, dass es so kommt.“ Inzwischen denke ich anders darüber. Oft stelle ich fest, dass ich wahrscheinlich finanztechnisch ähnlich gehandelt hätte.
Wenn ich aber soviel wie möglich über die vergangenen Krisen weiß, dann kann ich vielleicht besser abschätzen, welche verschiedenen Ausgänge die jeweiligen Situationen haben können und welche Phasen wir bei der nächsten Krise durchlaufen werden. Das wird mir hoffentlich helfen, mich in der nächsten Krise besser zu positionieren, um keine Bruchlandung zu erleiden.
„Dieses Mal ist alles anders“ ist für mich einer der teuersten Sprüche an der Börse.
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Bildquellen: Caroline Hernandez
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Auch wenn beim nächsten Mal alles anders kommt als es beim letzten Mal war, so denke ich auch, dass „aus der Vergangenheit lernen“ das beste Mittel ist.
Dazu zählt beispielsweise auch, richtig einzuschätzen, welche Quellen zuverlässig sind und welche nicht (Punkt 3). Kein Wirtschaftsblatt liegt mit seinen Empfehlungen immer richtig, aber es gibt durchaus welche, die gut recherchieren und begründen.
Man muss also schon ein Gefühl dafür bekommen, welche Argumente stichhaltig sind.
Auch die eigenen persönliche Einschätzung ist wichtig, was in Zukunft gefragt ist (wobei die allerdings auch total daneben liegen kann = ich selbst hätte nie gedacht, dass eine riesige Anzahl an Leuten für überteuerte Produkte ansteht, nur weil da ein „Apfel“ drauf steht).
Und der Apfel ist auch noch angebissen! 😀
Ich denke mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl dafür, welche Informationen wichtig sind und welche nicht und wie man sie gemäß ihrer Korrektheit einordnen muss. Oder, was meinst du? Du scheinst lange genug dabei zu sein.
Ich bin schon lange dabei. Bin nun ja auch in Rente.
Apropos Rente: Das ist ein Kapitel für sich. In der BILD-Zeitung steht jeden zweiten Tag was über die „armen Rentner“, und am nächsten Tag was über die „reichen Rentner“. Meine Meinung dazu: Jeder kann nur das rauskriegen, was er auch eingezahlt hat (das „Risiko“ – es heißt ja Renten-VERSICHERUNG – liegt lediglich in der Lebensdauer
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